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Start Segelfliegen / Motorsegeln Fliegen in Worten "Der Griff nach den Alpen" - Ein Bericht von Ralf-Henning Glomb

"Der Griff nach den Alpen" - Ein Bericht von Ralf-Henning Glomb

Abergläubisch bin ich nicht. Aber vielleicht sollte ich es nach dieser Geschichte werden.
Es ist der 13.05.2001. Der Wetterbericht verspricht Blauthermik bis 1700 Meter NN (knapp 1000 Meter über Platz), also keine wirklich berauschenden Aussichten. Aber in den Bergen soll es Wolkenthermik bis über 3500 NN geben. Für die Alpen-Fans aus unserem Verein steht damit der Operationsraum des heutigen Tages sofort fest. Ich als eingefleischter Flachlandflieger bin mir da allerdings noch nicht so sicher. Sepp mit Ventus 2cT, Hans mit DG800M, Reinhold mit der LS4, Jens mit seinem Phoebus und Seppi mit der LS4 wollen es in die Alpen wagen. Ich mit meinem Nimbus-II zögere noch. Erwähnen sollte ich vielleicht noch, daß bis zum Alpeneinstieg in Füssen erst einmal fast 60km Strecke zu überwinden sind. Wolkenlos geht die erste Thermik kurz vor 12Uhr Ortszeit los. Ich starte als Erster und mein Bart hört bei 600 Meter über Platz auf. Sowas hab ich ja geahnt. Also werden ich mal wieder am Platz rumgurken und warten bis das Wetter besser wird. Zwischenzeitlich startet Jens und Seppi. Tja, und als ich gerade diesen galaktischen 600 Meter-Bart ausgekurbelt habe, gehen die beiden unter mir auf Kurs. Ich verspüre die drängende Lust zuzuschauen wie die Jungs sich in den Acker bohren. Also flieg ich ein bischen hinter ihnen her, immer den Rechner im Auge um noch zum Platz zurückzukommen. Bei 450 Meter drehe ich dann um, aber hoppala, da ist doch tasächlich ein kleines Bärtchen. "Also mal ruhig Einkreisen und den Todeskampf der Jungs von oben beobachten." Iimmer wenn ich denke, jetzt schlägt Jens mit seinem Balsabomber auf, dreht er einen weiteren Kreis. Bei mir geht es diesmal auf 700Meter über Platz, immer noch keine spannende Höhe um auf Kurs in ansteigendes Gelände zu fliegen. Also beschliesse ich, weiter in Flugplatzreichweite zu bleiben und fliege mal zu einem Minni-Steinbruch weiter östlich. Jens und Seppi sind zwar etwas höher gekommen, aber ich verliere sie dann aus den Augen. Über meinem Steinbrüchchen komm ich jetzt immerhin schon auf 950 Meter über Platz. Da kann man dann doch mal einen Blick in Richtung Alpen riskieren.
In Platznähe
Mittlerweile sind auch Sepp, Hans und Reinhold gestartet. Während Reinhold weiter westlich auf Kurs geht, schießt Sepp unter mir durch und findet weiter auf Kurs einen Bart. Mein Bauch sagt "bleib ruhig,..... der hat nen Motor und kennt die Gegend wie seine Westentasche. Warte noch etwas bis das Wetter besser wird und die Basis weiter ansteigt.". Dummerweise gibt es da auch noch eine andere Stimme die sagt: " Ach komm, flieg hinterher, Du hast Gleitzahl 48, wenn Du jetzt nicht mitfliegst, dann verlierst Du die anderen und bist in den Bergen alleine. Und dann traust Du Dich doch wieder nicht das Lechtal zu verlassen. Komm schon, wer nicht wagt der nicht gewinnt.".
Tja und schon gings hinterher. Der Bart in dem der Ventus und die DG800 kreisten war nicht so der Bringer. Also hab ich es etwas weiter auf Kurs versucht, und da ging es dann auch besser hoch, immerhin bis auf fast 1100 Meter. Dummerweise war ich als Erster oben und bin dann schon mal losgeflogen. Sepp wird mich schon einholen, dachte ich ;-). Aber während ich so losflog, überkam mich dann schon ein ungutes Gefühl. "Was ist wenn Sepp nicht den gleichen Kurs fliegt, weil ich eine ungünstige Route nehme. ?". Aber bevor ich den Gedanken zu Ende gesponnen hatte war ich schon wieder ein paar hundert Meter tiefer und das Gelände ist auch noch knappe 200 Meter angestiegen. Aber wenn ich schön die Waldkanten abfliege wird schon was kommen, dachte ich mir. Es kam aber nichts. Und Schwupp-Diwupp war ich auf "Jetzt solltest Du einen Acker haben"-Höhe. -- Argl..... ich habs geahnt: Alpenvorland, nur hässliche, kleine, schrägen Wiesen. Keine schönen großen, frisch eingesäten Kornfelder wie ich es aus NRW oder Sachsen kenne. Und dann auch noch der 20-Meter Flieger. Und meine letzte Aussenlandung 5 Jahre her. SCHLUCK.... MAMMI, HILFE.... WARUM ICH ????. SEPPP hilf mir. Aber kein Sepp und keine Mammi weit und breit in Sicht. "SCHEI.........". Doch, hopala, ein kleiner Schlag nach oben und sofort einkreisen. "Mist, das war doch nichts". Doch schwups, da gehts wieder hoch, ......., und wieder runter. Diese Turbulenzen sind einfach nicht zu zentrieren. "+0,1" zeigt der Integrator an. Also festhalten, und weiter geht das Rodeo. Aber ich gewinn keine Höhe. Tja und dann geht der Integrator auf "-0.4", und das war es dann auch schon.
Eine Wiese die zumindestens einen freien Anflug hat, liegt ca 2km entfernt. "Also keine Spielchen mehr und runter. Imaginäre Position anfliegen. Ja die Wiese sieht gut aus. Zumindestens frisch gemäht, keine Hochspannung im Anflug und sie sieht auch recht Eben aus. Gegenanflug, Queranflug, eindrehen in den Endanflug. Hmm, ich bin doch noch ein bischen zu hoch". Meine Wiese liegt zwar auf einer kleinen Kuppe, davor ein Weg, aber ich bin zu hoch. Mit gut wirkenden Bremsklappen wäre das kein Problem, aber mit den kleinen Dingern wird das nichts. Also werd ich wohl den Bremsfallschirm benutzen müssen. Hab ich beim Phoebus ja auch
Alpenvorland
schon oft genug gemacht, und mit dem Nimbus hab ich auch schon einige Landungen am Platz damit gemacht. Sollte also klappen. Den richtigen Zeitpunkt für das Auslösens finden ich eigentlich instinktiv immer recht genau.Also Hand an den Auslösehebel legen. "Noch ca. 2 Sekunden und dann schmeiss ich Ihn raus", denk ich. ". ... Scheisse was ist das ?". Ich spüre einen Ruck und merke, ich hab schon ausgelöst. Zu früh. Erst mal nachgedrückt, und dann sehe ich, dass direkt hinter dem Weg, also am Anfang der Wiese ein Buckel von ca. einem Meter ist, auf den ich jetzt in spitzem Winkel zurase. Jetzt geht alles ziemlich schnell, ich muss den Bremsschirm abschmeissen sonst knall ich genau auf den Hügel. Ich will den Hebel weiter nach vorne drücken, aber es geht nicht. Also muss ich neben mich gucken und stelle fest, dass ich den Hebel erst zur Seite drücken muss. Das mach ich dann auch. Aber als ich dann wieder nach vorne sehe, bin ich kurz vorm Aufschlag auf den Buckel. Instinktiv zieh ich den Knüppel an den Bauch, und zum Glück fliegt der Nimbus auch noch mit 65 km/h. Ich bin also über den Buckel drüber und hab wieder 1 Meter unter mir. Und jetzt schwebt das Teil natürlich wieder wie Sau. Aber meine Fahrt ist dann doch schon ziemlich gering und ich setze auf. Dabei merke ich dann, dass die Wiese ein leichtes Gefälle hat das im letzten drittel stark zunimmt. "Also, wenn ich bis dahin nicht stehe, dann werd ich eine Fläche an den Boden drücken". Und während ich das plane fallen mit rechst und links vorne zwei Stangen auf. Mein erster Gedanke ist, dass dort vielleicht ein Draht oder sowas gespannt sein könnte. Zum Glück ist das nicht der Fall und ich komme genau an der Stelle zu stehen ab der das Gefälle zunimmt. "PUHHHH, geschafft und alles Heile.".
Wiese1 Zuerst hab ich dann mal meinen Angstschweiss am Wiesenrand abgelassen .... Dann hab ich mir mein Handy gschnappt um schon mal am Flugpatz Meldung zu machen. Gleichzeitig bin ich zurückgelaufen um meinen Bremsfallschirm aufzusammeln. Auf dem Weg am Anfang der Wiese kamen mir dann schon ein paar Radfahrer entgegen die mir eine genaue Lagebeschreibung gegeben haben. Dann kam ich zu der Wiese in der der wahrscheinlich der Bremsschirm irgendwo liegen musste. Es war eine ungemähte Wiese mit hochem Bewuchs, und vom Bremsschirm war weit und breit nichts zu sehen. Na Super, die Nadel im Heuhaufen.
Während ich also den letzten Fleck unberührter Natur durchkämme, versuche ich eine Verbindung zum Flugplatz zu bekommen. Bis ich dort endlich jemanden erwische, bin ich die Wiese schon drei mal hoch und runtergelaufen. Toll was man da so alles findet: Einen verotteten Drachen, ein Bild-Zeitung, eine alte Jacke, aber keinen Bremsfallschirm. Tja, und dann klappt endlich die Verbindung zum Flugplatz. Und während ich Ihnen gerade erzähle, dass ich einen neuen Bremsfallschirm brauche, bleib ich irgendwo mit den Füssen hängen und leg mich auf die Nase. Ich bin in den Seilen vom Bremsschirm hängengeblieben. Glück im Unglück. Da wurde mir klar was den Unterschied zwischen einem "Sonntag den 13ten" und einem "Freitag den 13ten" ausmacht. Der Rest ist dann eingentlich unspäktakulär.


Wiese2
Ach so, vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass in der Zeit bis die Rückholer kamen, sich Wolken über meinem Acker gebildet haben und der Sprechfunkverkehr zwischen Sepp, Hans und Reinhold ungefähr so abgelaufen sind: "Komm hier rüber, hier geht es auf 3700 hoch. Lass uns mal schauen ob wir auf die Alpensüdseite kommen ... usw.....". Heute frag ich mich warum ich den Funk eigentlich nicht abgeschaltet habe ??? Wahrscheinlich hat mich meine masochistische Ader davon abgehalten. Ach ja, Seppi ist auch aussengelandet, noch ein bisschen früher als ich.
Fazit des Tages:
Flugzeit: 1:16
Strecke: 40km (IGC-File)
>>> Das Gute Gefühl, mal wieder eine Aussenlandung erfolgreich gemeistert zu haben.
>>> Das ungute Gefühl, mal wieder verdammt viel Glück gehabt zu haben.
>>> Die Erkentnis, dass die Bremsschirm-Bedienelemente beim Phoebus um welten besser sind als beim Nimbus.
Die Lehre:
Wenn schon jemandem hinterherzufliegen, dann auch wirklich konsequent HINTERher zu fliegen
und nicht plötzlich VORNEweg.
Flugweg Barogramm
 

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